Ein Beitrag von Nelly Stockburger

Die Frage zur künstlerischen Relevanz ist schnell beantwortet. Ja, das handwerkliche Niveau der Arbeiten passt genau in das, was Kulturwerkstatt will: Die juryfreie Ausstellung zeigt einen Aufschrei zum Thema, der nicht individueller und „freigelassener“ sein könnte. So wollen wir das. Ein unzensierter Querschnitt durch das aktuelle Leiden in den Geschlechterrollen.“Der Weg ist das Ziel“ sagt uns Livia Altmeyer auf einem gequälten Po.

So kann man die Ausstellung als eine vorübergehende Positionierung auf einer Strecke von Jahrhunderten verstehen, die erotische Freiheit braucht, um sich von 2 Jahrtausenden beleidigender und meschenverachtender Normen der Kirche in Licht der Freude, der tiefsten Nähe zwischen Menschen, die in Vertrauen den Schritt in bedingungslose Intimität wagen.

Weil ich lange suchen musste, bevor ich auch solche Bilder im dominanten Aufschrei fand,machte mich die Ausstellung zuerst einmal traurig. Habe ich als AktivistIn der 70er und 80er Jahre, als 30 Jahre professionell arbeitende Sexualtherapeutin zuviel von der Zeitgeistwende erwartet?

Foto: Nelly Stockburger, Werk: Livia Altmeyer

Die naiven Befreiungsversuche meiner Generation, jugendliches Spiel mit der freien Liebe, die in ihren Dramen mehr Leid als Freude zurück ließ, waren ein Anstoß, in ihrer provokanten Absicht durchaus ein Tür Öffner zur nachfolgenden bürgerlichen Ideologie sexueller Freiheit.

Erwachsene dürfen alle erotischen Spielarten in gleichberechtigten Strukturen ausleben, also keinesfalls mit Kindern.

Das klang damals zuerst einmal gut, raste aber sofort an der Freiheit vorbei, wiederum in klar normierte erotische Subkulturen, die das Denken und Verhalten ihrer Mitglieder neu einsperrten. Wie qualvoll im Netz rotierende Fische ringen die Suchenden nach der Lücke, in der es ein Entkommen gäbe.

Das Ankommen im Du, das frei bleibt von normierter Erwartungen, im Lebendigen fliesst, lebenslang lernt, Grenzen im selbst, im Du, in der Situation erkennt, in jedem neuen Kontakt schöpferisch offen bleibt… Wie Kunst.

Ja, die Ausstellung gehört hierher, weil sie Kommunikation zu all diesen Aspekten anregt.

Unerfüllt begegnen wir uns hier in ganz verschiedenen Phasen der persönlichen Suche nach Befreiung.

Bekämpft euch nicht, beschimpft euch nicht, schämt euch nicht für das was ihr seid.

Gebt euch die Hände und helft einander mit einer toleranten Wärme im Herzen.Bevor unsere Kultur mal erotisch glühen darf, bin ich lange tot. Gebt nicht auf, ihr jungen Freunde, der Weg ist das Ziel.