Über uns

            Über die Kulturwerkstatt ist mittlerweile viel gesagt und auch einiges geschrieben worden.[1] “Sie ist ein großes umtriebiges Labor für die freie Kulturszene Triers”, stellt der Volksfreund 2015 fest, “eine der Keimzellen der Tufa”, ein “soziokulturelles Zentrum” und “ein Ort für die Aktivitäten der sogenannten freien Szene”.[2] Aus dieser freien Szene geht sie in den achtziger Jahren hervor mit der Absicht, allen Kreativen eine Möglichkeit der öffentlichen Präsentation ihrer Werke zu verschaffen, und dies in einem Umfeld, in dem der Zugang zu Ausstellungen rar und üblicherweise der Werkauswahl durch eine Jury unterworfen ist. In der Kulturwerkstatt werden weder die Ausstellungen kuratiert noch die Werke der Ausstellenden juriert, und an keinerlei vorgegebenen qualitativen oder sonstigen Kriterien gemessen, denen sie genügen müssen, um zugelassen zu werden. Diese Besonderheit ist nach wie vor eins der Alleinstellungsmerkmale der Kulturwerkstatt, die sie von vielen anderen Kultur- und Kunstvereinen unterscheidet. “Jeder, der Kunst macht, sollte auch ausstellen können”, lautete bereits das Motto der ersten Jahresausstellung der Kulturwerkstatt im Jahre 1985.[3] Darin steckt auch heute noch ein unverändertes Credo unseres Vereins, der sich satzungsgemäß zudem der “Nachwuchs- und Talentförderung”, dem “internationalen Kulturaustausch” und überhaupt der “Schaffung einer Anlaufstelle für Einzelpersonen und Gruppen aus dem Bereich der Kultur und Kunst” verschrieben hat.[4] Dieser niedrigschwellige Zugang zum Kunstbetrieb macht die Kulturwerkstatt attraktiv. Es gibt kein kompliziertes Aufnahmeprozedere, wer mitmachen will, kann das tun. Und wer kein Vereinsmitglied werden will, kann – ausreichend Platz vorausgesetzt – trotzdem an unseren Ausstellungen teilnehmen und darüber hinaus an unseren weiteren Veranstaltungen. Es ist vielleicht verlockend, Niedrigschwelligkeit in diesem Sinne gleichzusetzen mit niedrigem Niveau, das sich in den Werken unserer Ausstellungen widerspiegeln müsse. Man erwartet möglicherweise ein wildes Durcheinander kreativer, aber doch im Stadium des Amateurhaften verbliebener Werke. Dass dem nicht so ist, davon kann man sich in unseren Ausstellungen überzeugen, in denen ein breites Spektrum von Künstlern aller Genre vertreten ist.

            Gelegentlich wird der Geist der Kulturwerkstatt als “anarchisch” umschrieben. Man kann den der politischen Terminologie entnommenen Begriff nur allzuleicht falsch verstehen. In unserem Zusammenhang benennt er das Ziel der Kulturwerkstättler*innen, sich ohne jeden Zwang, in aller Freiheit einzeln und miteinander friedlich zu entwickeln, und, wo das möglich ist, sich gegenseitig zu fördern, ohne dabei unnötigen bürgerlichen Konventionen oder Zwängen zu unterliegen bzw. sich solchen zu unterwerfen. Unsere Satzung bringt das ziemlich gut zum Ausdruck. Hier ist es gelungen, das Wesen der Kulturwerkstatt in die Formeln des Vereinsrechts hinein zu gießen und gleichzeitig jede Menge Luft nach oben zu lassen.

            Wir legen Wert auf Basisdemokratie und Transparenz. Das kann man an unseren Vorstandssitzungen sehen. Hier entscheidet kein hermetisch abgeschlossenes Gremium über Wohl und Wehe des Vereins, sondern hier treffen sich die Vorstandsangehörigen mit allen Vereinsmitgliedern, die das möchten, zu Gespräch und Diskussion, um miteinander die Geschicke der Kulturwerkstatt anzugehen. Und hier vollzieht sich ein gemeinschaftliche Miteinander, in dem eben nicht ein einzelner Vereinsfunktionär als Frontmann das sagen hat, sondern allenfalls als Primus inter Pares von den Vereinsmitgliedern abgestellt wird, um ihre Interessen in ihrem Sinne zu verwalten und an deren organisatorischer Umsetzung zielorientiert mitzuwirken. Und – nicht zu vergessen -, die Ideale, Ziele, Werte und Traditionen der Kulturwerkstatt nach innen und nach außen zu vertreten.

            Der auf die Kunst bezogene Anspruch unseres Vereins läßt sich auch an dem Begriff “Werkstatt” ablesen. Es geht um den Prozess des Herstellens von Kunst, um das damit einhergehende suchende Experiment, um die kontinuierliche Entwicklung dessen, was die oder der Einzelne als Kunst versteht und zu einem gegebenen Zeitpunkt der Öffentlichkeit vorstellen möchte. Das kann dann ein abgeschlossenes Werk sein, ein Zwischenzustand, ein unfertiger Versuch, und so weiter und so fort. Man könnte sagen, dass wir, einzeln und/ oder miteinander auf einer Kunstbaustelle arbeiten. Und indem wir an der Kunst arbeiten, arbeiten wir  auch immer an uns selbst und bringen uns ein Stück weit voran. Das wiederum wirkt sich möglicherweise in unserem persönlichen Umfeld aus, womit die humanitären Ideale unseres Vereins nicht isoliert für sich selbst bestehen bleiben, sondern ein Stück weit in die umgebende Gesellschaft hinein diffundieren und dort wirksam werden können. Es geht also um viel mehr, als nur um Ausstellungsmöglichkeiten, niedrigschwelliger Teilhabe am Trierer Kunstbetrieb, kreativen Experimenten und Ausdrucksformen, dem Sichtbarmachen von “künstlerischen Prozessen und Entwicklungsstufen” und dergleichen mehr.

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            “Wir müssen lernen, miteinander umzugehen, indem wir das Beste, das wir aneinander finden, bekräftigen und unterstützen.”[5]

            Man kann gar nicht genug betonen, wie wichtig diese Haltung im Umgang der Menschen miteinander ist. Gerade in der heutigen Zeit, in der an allen Ecken und Enden der Welt scheinbar apokalyptische, nicht mehr zu löschende Brände ausgebrochen sind, und Hass und Vergeltung zur angeblich alternativlosen Direktive menschlichen Handelns erhoben werden. Das von humanitären Absichten getragene Gespräch, das unausgesetzte Bemühen um  ein gegenseitiges Verstehen, ist unter den Menschen durch nichts zu ersetzen, für niemanden, egal, ob man nun hinter oder vor den großen Kanonen steht, ob man zu den Mächtigen oder zu den Ohnmächtigen auf dieser Erde gehört. Dieses Gespräch darf nicht erst auf den großen, diplomatischen Bühnen der Welt beginnen, und auch nicht erst dann, wenn Bombenteppiche auf ganzen Stadtlandschaften flächendeckend ausgerollt werden. Es muß im Heute beginnen, im Hier und Jetzt, und überall dort, wo Menschen sich begegnen und in jedem zur Verfügung stehenden Raum. Und es bezieht jeden und alle Menschen mit ein, wirklich alle und jeden.

            Die Kulturwerkstatt – ich weiß, das klingt jetzt ungeheuer idealistisch, – versucht den Mitgliedern, die das wollen, auch einen solchen Raum zu bieten, indem sie sich miteinander austauschen können, nicht nur über Kultur und Kunst, sondern auch über sich, ihre Erfahrungen, ihr Leben und ihre wie auch immer gearteten, voneinander differierenden Auffassungen und Weltanschauungen. Sie ist ein Raum der Begegnung, in dem sich Menschen unterschiedlichster Herkunft treffen, in dem nicht nach sozialem oder finanziellem Status, nach Werdegang, Religion, Nationalität oder irgendeiner der vielen heute bekannten Identitäten gefragt wird. Es ist ein Austausch, der unter Gleichgestellten stattfindet, die nicht zwangsläufig gleichgesinnt sein müssen, den einzelnen nicht wertet oder ihn um seiner anderen, völlig konträren Ansichten und Lebensweisen willen verwirft. Der in diesem Raum stattfindende Austausch kann dann auch in der Kunst der Vereinsangehörigen seinen Niederschlag finden oder in größeren Projekten zum Ausdruck kommen. Und, wenn es ganz hoch kommt, einzelfallweise vielleicht sogar ermöglichen, eine angesichts der Wirklichkeit dieser Welt vorhandene Sprachlosigkeit ein Stück weit zu überwinden. Allerdings, und auch das gehört zum Wesen der Kulturwerkstatt, ist niemand in irgendeiner Weise verpflichtet, an einem solchen Austausch teil zu nehmen. Ein wie auch immer gearteter Zwang zu was auch immer widerspräche den Grundprinzipien der Kulturwerkstatt massiv und würde auch gar nicht erst geduldet werden. Es bleibt allen Vereinsmitgliedern freigestellt, sich nach eigenem Ermessen zu engagieren oder eben auch nicht.

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            Wir begrüßen die Vielfalt der Menschen, die Vielfalt ihres künstlerischen Ausdrucks und ihrer kulturellen Ansichten. Diese Vielfalt bereichert uns und sie ist das große Potential unseres Vereins. Es macht ihn beweglich, vemeidet geistige Enge und ermöglicht weite Horizonte. Indem wir offen sind für alle Kreativen, vom Anfänger bis zum Profi, sind wir zugleich offen für vielgestaltige zwischenmenschliche Begegnungen, für das Neue und auch für das manchmal ganz Andere. Unsere Vereinsmitglieder bilden ein breites, individuelles menschliches Spektrum ab, und obwohl ich von Amts wegen gehalten bin, hier ein paar Worte im Namen des Vereins vorzutragen, wäre es vermessen zu behaupten, ich spräche in ihrer aller Namen. Das ist unmöglich und auch gar nicht gewollt. Aber ich glaube, dass trotzdem ein bißchen von dem deutlich geworden ist, was uns ausmacht. Wer glaubt, Freude und Interesse daran haben zu können, sich in diesem Sinne in der Kulturwerkstatt zu engagieren, ist herzlich eingeladen, sich uns anzuschließen, gerne auch versuchsweise und vorübergehend, und mit seiner Persönlichkeit die Vielfalt und Weite unseres Vereins zu bereichern.

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            Zum Schluss: Wenn man sich dort befindet, wo ich jetzt stehe und quasi für eine Organisation und ihre Angehörigen über die Ideale und Werte ebendieser Organisation spricht, oder vielmehr: sprechen darf, dann tut man das nicht voraussetzungslos. Man steht gewissermaßen in einer lebendigen Ahnenreihe von Menschen, die einem das Wesen eines Vereins oder einer Organisation nahebringen und vermitteln. Vieles von dem, was ich jetzt hier zum Vortrag gebracht habe, gründet auf den mannigfaltigen Äußerungen zweier Mitbegründerinnen der Kulturwerkstatt:

            Nelly Stockburger und Cornelia Granow-Beys.

            Die beiden Grandes Dames der Kulturwerkstatt haben mich im Laufe meiner eigenen Mitgliedschaft in den letzten Jahren mit den Entstehungsbedingungen und Zielen der Kulturwerkstatt vertraut gemacht, mit den Idealen und Werten des Vereins und mir zugleich auch Nüchternheit und Realitätssinn mit auf den Weg gegeben, damit die guten Absichten unserer Vereinsarbeit nicht an den ganz und gar unidealen Bedingungen der uns umgebenden Wirklichkeit einfach zerschellen. Es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen. Ideale stehen nicht in einem luftleeren Raum. Sie werden von Menschen gemacht, gelebt, vermittelt, aufgenommen, weitergetragen, neuen Wirklichkeiten angepasst, neu formuliert und wieder zum Ausdruck gebracht. Sie besitzen ein eigenes Leben, durch die Menschen die sie zur Anwendung bringen. Auch das ist ein Teil dessen, was die Kulturwerkstatt ausmacht.

Bernd Janßen-Thul


[1]Der vorliegende Text basiert auf der leicht überarbeiteten Fassung des am xx. 11. 2023 gehaltenen Vortrages anläßlich der Eröffnung der 37. Jahresausstellung der Kulturwerkstatt Trier .

[2]“Die Grenzen der Gemütlichkeit”. Artikel über die Jahresausstellung 2015  der Kulturwerkstatt. Online-Ausgabe des Trierischen Volksfreunds vom 10. 12. 2015. Abgerufen am 11. 11. 2023

[3]“Jeder, der Kunst macht, sollte auch ausstellen können”. Artikel über die Jahresausstellung 2012  der Kulturwerkstatt. Online-Ausgabe des Trierischen Volksfreunds vom 06. 12. 2012. Abgerufen am 11. 11. 2023

[4]Gegenwärtig gültige Satzung der Kulturwerkstatt Trier e. V. vom 17. 04. 2017, § 1 Abs. 2

[5]“Quäker. Glaube und Wirken”. Hrsg. Religiöse Gesellschaft der Freunde, 3. Auflage 2016. O. S.